Sonnenstube
Tessin
Edition 05
Umgeben vom Rebberg
Es ist ein wolkenloser, sonniger Augusttag. Marilen und Alain besuchen Anna Barbara von der Crone und Paolo Visini vom Weingut Kopp von der Crone Visini in Barbengo. Das Tessin hat sich festlich herausgeputzt. Ein stiller Friede liegt über dem kleinen Tal, wo sich Anna Barbara und Paolo ihr Wohnhaus und ihren Weinkeller gebaut haben. Der Lärm und die Hässlichkeit der Konsumwelt der Grancia-Ebene liegt gleich um die Ecke und scheint doch unendlich weit entfernt zu sein.
Die vier eint eine gut geeichte, langjährige Freundschaft. Sie geht zurück auf Paolos Lehrjahre. Er absolvierte wie so viele andere bekannte Schweizer Winzer 1996–1997 ein Stiftenjahr bei den Schwarzenbachs in Obermeilen und blieb danach ein paar Jahre. Die Herzlichkeit und das Berufsethos der Weinbauernfamilie imponierte ihm. Parallel zur Arbeit am Zürichsee baute er sich in Pedrinate, im südlichsten Tessin, ein kleines Weingut auf. Alain besuchte ihn dort einmal als Sechzehnjähriger. Vielleicht geht seine Liebe zum Merlot – Schwarzenbachs kultivieren inzwischen am Trüllisberg in Feldbach ihren eigenen Merlot – auf diesen Besuch zurück. Jahre später, inzwischen hatte das Tessiner Winzerpaar seinen eigenen Betrieb gegründet, lernte auch Anna Barbara die Meilener kennen und schätzen. Schnell bemerkte sie «die ähnliche Wellenlänge»
Beim Ausflug in den Rebberg mit den zwei alten Vogelfangtürmen und der spektakulären Aussicht auf den Luganer See geraten die zwei Paare rasch ins Fachsimpeln. Beide bewirtschaften zwei Hektaren biologisch, was sie im anspruchsvollen Rebjahr 2021 mächtig herausforderte. Sie würden dann jeweils den pragmatischen Weg gehen und setzen kurzfristig auf konventionelle Mittel, denn alle vier Tage zu spritzen, sei ökologisch nicht unbedingt sinnvoller. Mit Hagelgewittern haben die Tessiner schon länger Erfahrungen und wissen sich entsprechend zu schützen – während die Zürcher dies als relativ neues Phänomen erleben. Seit Kurzem kommen auch bei Schwarzenbachs Hagelnetze zum Einsatz. Immer wieder profitieren die vier dabei vom gemeinsamen Austausch.
«Der Räuschling erzählt vom Zürichsee und begeistert mit seiner Fruchtaromatik. Er reift schön und macht lange Freude.»
Paolo
Räuschling 2020
Räuschling, Zürichsee AOC,
CHF 18.00, 75 cl
Zum Wein »
Erinnerungen an den Zürichsee tauchen im Tessin auf
Bei der Besichtigung des Kellers passiert die Gruppe eine vorsintflutliche, händisch zu betätigende Abfüllmaschine. Alain lacht auf. Er kennt sie aus Bubenzeiten. Sie tat ihren Dienst einst in der Reblaube. Paolo durfte sie gleichsam als Mitgift in seinen winzigen Keller in Pedrinate mitnehmen. Heute zieht er damit noch seinen wunderbaren Nocino-Likör in die Fläschchen.
Anna Barbara und Paolo keltern aus rund sieben Hektaren – verteilt auf die Regionen Mendrisiotto, Luganese und Bellinzonese – rund 14 Weine. Die rote Hauptsorte ist mit zirka 70 Prozent der Merlot, weiter bauen sie Arinarnoa, Petit Verdot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc an. Bei den Weissen gesellen sich zum Chardonnay, der als Cuvée in die Flasche kommt, auch Spezialitäten wie Kerner, Sauvignon Blanc und Viognier.
Das lebhafte Gespräch wogt nun hin und her. Paolo erzählt, dass er mit der berühmten 1895er Hefe arbeite. Dies ist eine Naturhefe, die aus einem alten Hefestamm eines 1895er Räuschlings von Schwarzenbach vermehrt werden konnte und die er als einer der Ersten testen durfte. Anna Barbara berichtet darauf, wie sie bei den Merlots Kaltstandzeiten vor der Gärung eingeführt hätten. In Meilen ist das beim Pinot Noir schon länger Usus. Allerdings räumt Alain ein, in dieser Beziehung wieder zurückbuchstabieren zu wollen. Zu dominant werde die Cassisnote. Lieber ist ihm mittlerweile eine längere Nachstandzeit, wie das im Tessin beim Merlot seit jeher gemacht wird. Sie bringt «kühlere, erdigere Aromen».
Auf grosses Interesse stossen die acht Keramik-Amphoren von 250 und 400 Liter Inhalt. Anna Barbara und Paolo bauen darin ihren Sauvignon Blanc Matto aus und schwören auf die daraus erzielte animierende Frische. Darüber hinaus gönnen sie als Experiment neuerdings einem kleinen Teil ihrer zwei Spitzenweinen, Balin und Scala, einen Aufenthalt darin. Unser Meilener Paar ist gespannt auf die neuen Erfahrungen. Vielleicht liesse sich darin auch etwas Räuschling vinifizieren.
«Eine Nachstandzeit, wie Sie beim Merlot angewandt wird, bringt kühlere, erdigere Aromen in den Pinot Noir.»
Alain
«Die Amphoren unterstützen Mineralität und Fruchtaromatik und schaffen den Charakter und die Typizität der Sorte heraus.»
Anna Barbara
Wein belebt die Freundschaft
An der Degustationstheke mit Oberlicht degustieren die vier Freunde gemeinsam je drei Weine aus dem aktuellen Angebot der zwei Betriebe. Darunter befinden sich auch ihre gegenseitigen Lieblingsweine – der Räuschling Seehalden und der Merlot Balin. Beide Weine bereichern die Schatzkammer des Mémoire des Vins Suisses, dieser Vereinigung der besten Schweizer Winzer, der Schwarzenbach und Kopp von der Crone Visini seit vielen Jahren stolz angehören. Der Räuschling hat Paolo und Anna Barbara mit seiner Lebendigkeit, Komplexität und Lagerfähigkeit einst dazu gebracht, über den Weissweinanbau im Tessin nachzudenken und später dann erfolgreich in die Tat umzusetzen.
Die animierte Degustation belebt nach dem Kellerbesuch und dem sonnenbegleiteten Rundgang durch die Reben die Lebensgeister sichtlich wieder. Neben Räuschling und Balin gefallen auch die restlichen Weine: Schwarzenbachs aromatischer Riesling-Silvaner Gold und der kraftvolle Pinot Noir Sélection. Oder die eleganten Tessiner Meridio und Tinello. Anna Barbara gesteht, dass sie auch über Schwarzenbachs Pinot Noir zur Liebhaberin dieser Sorte geworden ist. «Er besitzt Frische, Saftigkeit und eine schöne Länge und verlangt nach einem zweiten Glas.» Marilen wiederum delektiert sich am weissen Meridio, dieser Assemblage von 30 Prozent Chardonnay und 70 Prozent Saignée vom Merlot. «Der Wein ist mit seiner Cremigkeit, seiner Gaumenfülle und knackigen Fruchtfrische auch kulinarisch vielseitig einsetzbar.»
Alain schliesst: «Gottseidank tauschen wir immer unsere Weine. Wenn ich einen sechs-siebenjährigen Balin aus dem Keller hole, macht das total Spass, ist einfach geil.»
«Wenn ich einen Merlot aus dem Keller hole,
ist es einer von Anna Barbara.»
Marilen
Meridio 2020
Merlot, Chardonnay
IGT della Svizzera italiana, CHF 26.00, 75 cl
Zum Wein »
Aus dem Rebberg
Frost, Hagel und Regen
«Ein derart schwieriges Rebjahr wie 2021 haben wir noch nie erlebt. Spätfrost im Frühling liess 50 Prozent der Augen erfrieren. Glücklicherweise liessen wir zur Kompensation eine Frostreserve stehen. Ende Juni zog ein verheerender Hagelsturm über Obermeilen, eine Woche später über Meilen. Der unablässige Regen im Sommer machte die Wirkung der Pflanzenschutzmittel zunichte. Falscher Mehltau breitete sich aus. Stand Mitte September rechnen wir mit einer halben Ernte und einer späten Weinlese. Dank sonnigem Herbstwetter sieht der verbleibende Ertrag vielversprechend aus.»
Alain
Degustation
Limiterte Degustationspakete
Gemeinsam mit Kopp von der Crone Visini haben wir ein exklusives und limitiertes Degustationspaket mit den sechs Weinen Räuschling, Riesling-Sylvaner Gold, Pinot Noir Sélection, Meridio, Tinello und Balin zusammengestellt. CHF 180 inklusive Versand.
Sichern Sie sich eines unter