TERROIR –
VERWURZELT AM ZÜRICHSEE

Edition 10

Tradition Weinbau

Die Zürichsee-Region wäre für einen Zeitreisenden wohl kaum mehr wiederzuerkennen. Denn von den hohen Berglagen bis hinunter zum blau glitzernden Zürichsee säumten nichts als Reben den See.

 

Diese malerische Kulisse war nicht nur landschaftlich beeindruckend, sondern zeigte auch die reiche Geschichte des Rebbaus in der Region auf. Das erste Mal schriftlich erwähnt wurde dieser bereits im Jahr 874 in einer Urkunde des Grossmünsterstifts.

Reblage Seehalden ca. 1772 Johann Jakob Hofmann

Im Jahr 1880 erreichte die Rebfläche mit fast 2000 Hektaren dann ihren Höhepunkt, wobei gut die Hälfte dieser Reben im Bezirk Meilen angebaut wurde. Der Kanton Zürich mauserte sich neben dem Tessin und der Waadt sogar zum drittgrössten Schweizer Weinbaukanton. «Damals gehörte es zum guten Ton, seine eigenen Reben zu bewirtschaften und ein Fässchen mit eigenem Wein im Keller zu haben», erklärt Marilen. Wein gehörte dabei zu den Grundnahrungsmitteln und hatte eine geringere Qualität als heute. Denn die Reben wuchsen rings um den See, ungeachtet ihrer Lage.

Doch die Zeit brachte Veränderungen mit sich, und die schiere Menge an Reben nahm ab. Schädlinge und Krankheiten, die zunehmende Konkurrenz von ausländischem Wein, andere Getränke und insbesondere die starke Bautätigkeit rund um den See setzten dem Rebbau zu. Bereits 50 Jahre später, um 1930, waren 80 Prozent der Rebflächen gerodet.

Luftansicht Obermeilen ca. 1921–1924
Das Weinbauernhaus «Reblaube» um 1927

So ging es dann auch weiter, und mittlerweile liegen die verbleibenden Reben eingebettet zwischen zahlreichen Wohnhäusern an den Sonnenhängen der Region.

Heute wird am Zürichsee noch auf rund 140 Hektaren Rebbau betrieben, neun davon gehören zu Schwarzenbach Weinbau. Die Geschichte des Weinguts reicht zurück bis ins Jahr 1739. Im Jahr 1912 erwarb Hermann I. Schwarzenbach den stattlichen Bauernhof «Reblaube» in Obermeilen. Heute produzieren Marilen Muff und Alain Schwarzenbach bereits in der fünften Generation Wein an den Ufern des Zürichsees.

Alain

«Früher war Wein ein notwendiges Lebensmittel und hatte oft nur 8 bis 10% Volumen Alkohol» 

Terroir Zürichsee

Der Zürichsee prägt den hiesigen Weinbau in spezieller Weise. «Der See agiert als Temperaturpuffer», erklärt Alain. So sind die Nächte wärmer, die Tage kühler und im Frühling schützt der See vor Frost. Zudem reflektiert das Wasser die UV-Strahlen der Sonne, was zu mehr Licht für den einzelnen Rebstock führt. Weiter unterstützt wird dies durch die Steilheit der Hänge. Denn durch die Region verlief vor langer Zeit der Linthgletscher und die daraus entstandenen Gletschermoränen sind heute für den Rebbau terrassiert. «Diese imposanten Terrassen zu bewirtschaften gibt aber wirklich viel Arbeit», sagt Marilen lachend. Es muss generell mehr von Hand gearbeitet werden, da die Bewirtschaftung mit Traktoren in diesen Steillagen nur bedingt möglich ist. Für einen guten Wein werden diese zusätzlichen Mühen jedoch gerne in Kauf genommen.

Die Reben in der Region wachsen auf Nagelfluh und zum Grossteil auf Sandstein, wobei letzterer hervorragend Wasser speichern kann. Die Nähe zu den Alpen bringt viel Niederschlag, sodass die Zürichsee-Reben kaum Trockenheit fürchten müssen. Die mineralreichen Böden sind gut durchwurzelbar und der hohe Tonanteil im Oberboden führt zu einer sehr guten Nährstoffspeicherung. «Wir brauchen kaum Dünger, weil unsere Böden so fruchtbar sind», sagt Alain. Auch die Bewirtschaftung spielt hier eine grosse Rolle: Durch die Mulchwirtschaft mit bewusstem Verzicht auf Herbizid, werden die Böden mit organischem Material bedeckt, welches Nährstoffe zurück in die Erde gibt. «So produzieren wir mit der Begrünung zwei Tonnen Humus pro Hektare und Jahr.»

Doch verändern sich auch einige Parameter in der Zürichsee-Region. Denn der Baudruck ist weiter hoch und Parzellen am See werden rar, was eine Verschiebung Richtung Berg zur Folge hat. «Mittlerweile sind wir eigentlich froh, wenn wir Höhenmeter gewinnen», sagt Alain. Wo es vor ein paar Jahrzehnten eher knapp war, dass es für den Rebbau genügend Sonne gab, wird es heute für einige der altbewährten Sorten eher zu warm. «Eine höhere Lage bringt da Entspannung rein.» Ergänzend wird sich auch die Sortenwahl weiterentwickeln. Heute herrscht eine besondere Sortenvielfalt und Schwarzenbach Weinbau pflegt sogar vierzehn verschiedene Rebsorten. «Das war aber nicht immer so, denn früher durfte man nur eine Handvoll Sorten anbauen», sagt Alain. Um 1880 dominierten am See die weissen Sorten wie Räuschling und Elbling. Beliebt war auch Completer, der meist im gemischten Satz mit Elbling und Räuschling angepflanzt wurde. Die besten Rotweine stammten vom Pinot Noir.

Marilen

«Wir wollen immer das Optimum ins Glas bringen, das allerbeste von dem, was hier bei uns am See wächst.» 

Reblage Seehalden

Die (Reb)lage zählt

Der Räuschling ist auch heutzutage noch eine wichtige Sorte in der Zürichsee-Region und besonders gut gedeiht er an der Reblage Seehalden, direkt am Seeufer. So gut, dass aus den Trauben sogar die gleichnamige Lagekelterung Räuschling Seehalden entsteht. Die Seehalden ist eine sehr alte Reblage, die zwischenzeitlich als Schafweide genutzt wurde. Wiederentdeckt hat sie Alains Vater, Stikel Schwarzenbach, der sie in den 80er-Jahren erneut mit Reben bepflanzte. Dabei bewies er ein äusserst geschicktes Händchen. «Der Räuschling ist genau die richtige Sorte für diese Reblage», sagt Marilen.

Der nahe See reguliert das Klima und vermag tagsüber mit seiner kühlenden Wirkung den Reifeprozess der Trauben auszubremsen. Das resultiert in einem mineralischen Räuschling mit sehr guten Lagerfähigkeiten. «Bis 2021 haben wir den Räuschling Seehalden im Stahltank gekeltert, doch haben wir seit zwei Jahren das Eichenfass für den Ausbau entdeckt», erzählt Alain. Durch die ovale Form des Fasses bleibt die Hefe länger in der Schwebe und hat dadurch eine grössere Kontaktfläche zum Wein. Kombiniert mit den geringen Temperaturschwankungen im Holz, ermöglicht dies eine sehr schöne Reife. Zwar verlängert sich dieser Prozess etwas, doch «so erreichen wir die schönste Frische», schwärmt Alain.

Reblage Ormisrain

Für Pinot Noir eignet sich die Reblage Ormisrain ganz speziell: «Hier werden die Roten immer besonders extraktreich und tiefgründig», sagt Alain. Die steile Lage oberhalb der Bahnlinie liegt mitten im Dorfkern, was ganz andere Bedingungen als an der Seehalden mit sich bringt. Denn die Reben wachsen zwischen Häusern, was sie vor Wind und Wetter schützt.

Dass hier gute Trauben wachsen, ist indes schon lange bekannt. So wurde der Meilemer Gemeinderatswein über Jahre hinweg aus ihnen gekeltert. Die 35-jährigen Rebstöcke erreichen hier noch immer höchste Qualität. Heute schafft es der Jungwein aus dieser Lage jährlich in den engen Kreis der wenigen Barriques, die für den Pinot Noir Sélection auserkoren werden. Anders als beim Räuschling Seehalden, handelt es sich dabei um keine Lagekelterung. Stattdessen wird der Sélection degustativ aus den besten Fässern, die aus diversen Lagen einzeln vergoren werden, auserlesen. Anschliessend reift dieser zwei volle Jahre im Barrique und ruht sechs Monate in der Flasche, bevor er seine beste Form erreicht.

So schwand zwar über die Jahrhunderte hinweg die Meilemer Rebfläche massiv, doch konnten einige der besten Lagen erhalten bleiben. Noch immer prägen diese das Dorfbild, von den hohen Berglagen bis hinunter zum Zürichsee.

Alain

«Unsere steilsten Terassenlagen bringen besondere Weine hervor.» 

Rheinriesling Sélection 2019
Zürichsee AOC, Süsswein, CHF 38.00, 37.5 cl
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Aus dem Keller

Rheinriesling Sélection

«Für unsere neuste Kreation haben wir die Trauben nach der Ernte getrocknet. Innert drei Wochen haben sie dann über die Hälfte ihres Gewichtes verloren. Aus dem Saft der Rosinen wurde anschliessend ein Wein gekeltert, der viereinhalb Jahre im Barrique verbrachte. Der Wein wurde stetig besser. Wir mussten uns also gedulden. Doch der perfekte Zeitpunkt zum Abfüllen kam und unser Warten wurde mit einem herrlich frischen Süsswein belohnt.»


– Alain Schwarzenbach

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Zum 100-jährigen Jubiläum entstand die Chronik Schwarzenbach Weinbau 1912–2012. Die gedruckten Exemplare sind schon länger vergriffen.