WÜMMET – HÖHEPUNKT
DES WEINJAHRES
Edition 07
Die Wümmet ist der Höhepunkt eines jeden Weinjahres. Dann nämlich werden in den Rebbergen die Trauben gelesen, die zuvor während Monaten an den Rebstöcken langsam gewachsen sind und nun ihren gewünschten Reifegrad erreicht haben. Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, hängt zunächst von der Rebsorte ab. «Es gibt frühreifende und spätreifende Rebsorten», erklärt Alain Schwarzenbach. «Bei uns beginnt die Lese mit dem Riesling-Sylvaner. Dann folgen die anderen weissen Varietäten Sauvignon Blanc und Räuschling. Weiter geht es dann mit Pinot Noir und Chardonnay. Beendet wird die Wümmet mit dem Merlot und dem raren Completer.»
Doch auch der Witterungsverlauf während der Vegetationsperiode der Reben beeinflusst den Lesezeitpunkt. Marilen Muff: «In einem heissen Jahr mit viel Sonnenschein beginnt die Wümmet zwei bis drei Wochen früher als in kühlen Jahren.» Und auch die Wetterprognose spielt für den Wümmetbeginn eine Rolle. Alain: «Ist eine Regenperiode angekündigt, empfiehlt es sich, die Trauben vorher zu lesen, damit sich die Beeren nicht mit Wasser anreichern und dadurch an Aroma verlieren.»
Doch wie bestimmt man den Zeitpunkt, an dem die Trauben die optimale Reife erreicht haben und die Wümmet beginnen soll? «Da gibt es verschiedene Indikatoren, die wir bei regelmässigen Kontrollgängen in den Reben beobachten und in den letzten Wochen vor der Wümmet vermehrt analysieren», erklärt Alain. «Da ist zuerst die optische Beurteilung der Reben und der Trauben. Dabei achten wir auf die Farbe der Traubenbeeren. Zudem sind verholzte Stielansätze und braune Kerne ein Indiz dafür, dass die Trauben reif sind.»
Neben der optischen Beurteilung gibt auch die Analyse mit der 100-Beerenprobe Aufschluss über den Reifegrad der Trauben. Pro Sorte und Rebparzelle werden hundert Beeren zufällig gelesen und gequetscht und danach analysiert. Alain präzisiert: «Dazu gehört nicht nur die Messung der Säurewerte und des Zuckergehalts, also der Oechsle-Grade, sondern vor allem auch die Degustation der Trauben in Bezug auf ihre sortentypische Aromatik.»
Ist der Startschuss für die Wümmet gefallen, heisst es für das ganze Schwarzenbach Weinbau-Team weiterhin täglich beobachten und neu beurteilen. Wann genau welche Trauben geerntet werden, entscheiden Alain und Marilen laufend, mit einem feinen Gespür für die Natur.
«Die Stundenleistung eines Wümmers beträgt durchschnittlich 25 kg pro Stunde.»
Bevor die vier bis sechs Wochen dauernde Wümmet Mitte September beginnen kann, muss vieles organisiert werden. Die rund sechzig Wümmethelferinnnen und Wümmethelfer werden avisiert, aufgeboten und instruiert, die Fahrzeuge und Traubenbehälter geputzt und für den Transport bereitgestellt, und der Keller muss für die Traubenannahme vorbereitet werden.
Ein Wümmettag beginnt um 8 Uhr. Gemeinsam fährt man zu den lesebereiten Rebparzellen, wo die in Gruppen aufgeteilten Helferinnen und Helfer die Trauben von Hand lesen. Marilen: «Es gilt die Devise: Nur gesunde und reife Beeren gelangen in den Keller! Deshalb werden angefaulte oder unreife Beeren weggeschnitten, bevor sie in die Wümmereimer gelegt werden.» Die vollen Eimer werden sodann in sogenannte Tausen gekippt und zu den bereitstehenden Standen getragen. In jeder Stande hat es Platz für rund 700 kg Trauben. Die vollen Standen werden dann auf Anhängern laufend in den Keller gefahren.
«An der Wümmet wird zwar konzentriert gearbeitet, aber sie ist immer auch eine fröhliche, vergnügliche und gesellige Zeit», sagt Alain. Dazu gehört auch, dass es für alle an der Wümmet Beteiligten ein gemeinsames Mittagessen in der getäferten Stube im Stammhaus des Weinguts gibt. Zubereitet wird es von Meisterkoch Rolf Pfenninger, der während vieler Jahre in unmittelbarer Nachbarschaft das Restaurant Schiffli geführt hat. «Es ist ein offenes Geheimnis, dass einige Leute vor allem wegen des Essens, das Rolf uns am Mittag auftischt, an der Wümmet mitmachen», schmunzelt Alain.
An den meisten Tagen wird bis 16 Uhr geerntet. Danach gönnt sich die illustre Schar der Rebhelfer auch mal einen Apéro auf dem Vorplatz. Auf Harassen sitzend wird dem Verarbeiten der Trauben zugeschaut, diskutiert und gewitzelt. Für die Kellerequippe, den fixen Mitarbeitern von Schwarzenbach Weinbau, ist der Arbeitstag dann aber noch lange nicht zu Ende.
«Wir haben ca. 60 Erntehelfer. An einem Wümmettag sind rund 20 von ihnen im Einsatz.»
Alain Schwarzenbach
Im Weinkeller herrscht während der Wümmet hektische Betriebsamkeit. Den ganzen Tag über treffen die Standen mit den frisch gelesenen Trauben auf dem Vorplatz des Kellereigebäudes ein. Dies sind nicht nur die eigenen von Schwarzenbach Weinbau, sondern auch etliche von Lohnkelterungen und die der drei eigenständigen Winzer der Keller-WG. Das Verarbeiten aller Trauben kann mitunter bis Mitternacht dauern.
Bei der Traubenannahme werden die Standen gewogen und die Trauben danach maschinell entrappt, d.h. vom Stielgerüst befreit. Die dadurch erhaltene Maische – das Gemisch aus Saft, Häuten und Kernen – wird je nach Traubensorte unterschiedlich weiterverarbeitet.
Die weissen Trauben werden direkt in die Presse befördert. Es gibt aber auch Ausnahmen. Bei aromatischen Sorten wie dem Sauvignon Blanc und manchmal auch beim Räuschling werden die entrappten Beeren vor dem Pressen noch für einige Stunden gekühlt, um zusätzlich wertvolle Aromastoffe aus den angequetschten Traubenhäuten zu extrahieren.
«Wenn wir eine Charge mit besonders schönen Chardonnay- Trauben bekommen, verzichten wir auf das Entrappen und pressen die ganzen Trauben ab, was dem Wein mehr Finesse verleiht», erklärt Alain. Der aus dem bis zu vier Stunden dauernde Pressvorgang gewonnene Most wird dann vergoren.
Im Gegensatz zu den weissen Trauben werden die roten Trauben bereits vor dem Pressen an der Maische vergoren. Bei der Gärung wird der in den Trauben vorhandene Zucker in Alkohol umgewandelt. Farbe und Gerbstoffe, die sich vorwiegend in den Traubenhäuten befinden, werden durch die entstehende Wärme und den Alkohol extrahiert.
«Im Burgund hat es Tradition, dass zumindest ein Teil der Pinot-Noir-Trauben ganz eingemaischt werden, um dem Wein mehr Rückgrat zu verleihen», kommentiert Marilen. «Auch wir tun das mit zehn bis zwanzig Prozent der Trauben bei unseren in Barriques ausgebauten Pinot Noirs», ergänzt Alain. Ferner kann die Maische im Kühlraum einige Tage kalt gestellt werden, bevor sie vergoren wird. Alain: «Wir machen das vorwiegend bei unserem Blauburgunder um die fruchtig beerige Note zu erreichen.
«Mit unseren 9 Hektaren Rebland erzeugen wir rund 60ʼ000 Flaschen Wein pro Jahr.»
Alain Schwarzenbach
Sind alle Trauben im Keller und deren Saft bereits in der Gärung, kehrt in den abgeernteten Rebparzellen vorerst Ruhe ein. Einzig die Vogelschutznetze müssen noch entfernt werden, und dann dürfen sich die Reben bis zum Winterschnitt im Januar und Februar des kommenden Jahres erholen. Die Arbeit verlagert sich ganz in den Keller, wo sich ein angenehmer Duft verbreitet. Was dort alles passiert und weshalb dieser Geruch einiges über die Gärung der Weine aussagt, erfahren Sie im nächsten Teil.
Schwarzenbach Weinbau Team
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Aus dem Rebberg
Das Weinjahr 2022
«Da dieses Jahr die Reben früh austrieben, hatten wir Angst, dass wie 2017 auch heuer ein später Frost die Reben schädigen und den Ertrag arg reduzieren könnte. Zum Glück traf dies nicht ein. Zur Sicherheit haben wir zuvor beim Rebschnitt Reservetriebe stehen lassen. Es kam dann alles gut. Da es früh warm wurde, animierte das die Reben, rasch zu wachsen. Der heisse, trockene Sommer führte dazu, dass die Trauben rund zwei Wochen früher reif wurden als in anderen Jahren, weshalb die Wümmet etwas früher ausfiel. Insgesamt ernteten wir Trauben mit einem guten Ertrag in hoher Qualität. Alles in allem sind wir sehr zufrieden: 2022 wird ein trinkfreudiger, strukturreicher Jahrgang.»
– Alain Schwarzenbach